Porträts, Projekte, Perspektiven

Fotografin Verena Müller über Geschichten vor unserer Haustür

Foto: vhs Balingen

Verena Müller ist  Fotografin mit Leib und Seele: Sie ist nicht auf der Suche nach Inszenierungen, ihr Anspruch ist es, die Dinge – und vor allem die Menschen –  so abzubilden, wie sie wirklich sind. Betrachtet man ihre Fotos, hat man das Gefühl, dass ihr das gelingt. Am 21. Juli 2019 gab es im Balinger Bürgerkontakt die Gelegenheit dazu – bei der letzten unserer drei Sonntagsmatineen.

Begonnen hat für Verena Müller alles im Keller ihres Elternhauses in Hechingen. Dort hatte sie sich eine Dunkelkammer eingerichtet, die Fotos wurden im Badezimmer ausgewaschen – zum Leidwesen ihrer Eltern, die dann nicht selten vor verschlossener Tür standen. Doch seit sie zu ihrem 12. Geburtstag einen Fotoapparat geschenkt bekam, hat das Thema Fotografie die Schwäbin nicht mehr losgelassen. Im Gespräch mit Claus Spitzer-Ewersmann, Geschäftsführer der Medienagentur Mediavanti, berichtete die freiberufliche Fotografin zunächst von ihrem Werdegang.

Auf der Suche nach dem Echten

Schon während ihrer Ausbildung in einem klassischen Fotostudio spürte Verena Müller: Ihre Faszination gilt nicht der inszenierten Fotografie, sie möchte aus der Beobachtung heraus fotografieren. Sie ergatterte einen der begehrten Plätze im Studiengang »Fotojournalismus und Dokumentarfotografie« an der Hochschule Hannover. Während es andere Absolventen des einzigen journalistisch geprägten Fotografiestudiengangs Deutschlands in die Ferne zieht, ist Verena Müller ihrer Heimatregion treu geblieben. Warum sie so bodenständig geblieben sei, möchte Claus Spitzer-Ewersmann wissen. »Bei meiner Arbeit empfinde ich es als Herausforderung, mit Themen, die vor unserer Haustür liegen, interessante Bilder zu machen«, sagt Verena Müller. Es sei außerdem immer wieder spannend, wie viele verschiedene Geschichten es auch hier vor Ort zu entdecken gebe.

Geschichten über Menschen

Eine davon ist die Geschichte über die Gemeinschaft Tempelhof. Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, einer der Auftraggeber der freiberuflichen Fotografin, machte Verena Müller zusammen mit einem schreibenden Kollegen eine Reportage über das alternative Wohnprojekt in Kreßberg. Oder die Geschichte von Familie Kopf, die auf dem Jägertonihof lebt und dort Steinofenbrot im eigenen Backhaus herstellt. Auch im Rahmen vieler Einzelporträts lernt Verena Müller die Menschen kennen, die sie fotografiert. Wie den Wanderschäfer Sven de Vries, der bei Wind und Wetter Verantwortung für eine große Herde trägt und Verena Müller von seinem Burnout erzählte. Die freiberufliche Fotografin nähert sich ihren Protagonisten auf einfühlsame Art und Weise.

»Bei Porträts versuche ich die Zwischenmomente einzufangen, in denen die Person nicht so stark auf die Kamera reagiert.«

Bei Josephine, so Verena Müller, sei das ungewöhnlich einfach. »Sobald ich die Kamera in die Hand nehme, ist es für sie, als wäre ich nicht da.« Seit deren siebtem Lebensjahr begleitet Verena Müller Josephine, die am Williams-Beuren-Syndrom leidet, einem seltenen Gendefekt. Neben den charakteristischen Gesichtszügen weisen Betroffene auch eine ausgeprägte Freundlichkeit und Musikbegeisterung auf. Die Reportage über Josephine ist Teil einer Reihe über Menschen mit seltenen Erkrankungen, die Verena Müller ganz besonders am Herzen liegt und die mehrere Jahre als Ausstellung durch Deutschland tourte. Inzwischen ist Josephine in der Pubertät und hat etwas von ihrer Leichtigkeit verloren – Verena Müller wird sie wieder besuchen, wenn sie die Schule abgeschlossen hat. Und uns mit ihren Fotos Einblicke gewähren in Josephines besonderes Wesen.

 

Text: Sophia Zöfel

Dieser Beitrag stammt von:

Miriam Muschkowski

Miriam Muschkowski ist freie Mitarbeiterin bei der vhs Balingen und gehört zum Social-Media-Team der #wppbl. Als Balinger Gewächs ist sie in der Region bestens vernetzt.

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